Schreiberei
Beatrix Junghans-Gläser

Waldsiedlung 3e

08294
Lößnitz

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2019

2019

01. Oktober 2019Raus aus dem Homeoffice

@FrauSchreiberei, wie ist es so im neuen Büro?

Anders. Nach 12 Jahren Homeoffice habe ich ein Gegenüber. Das ist richtig gut, manchmal aber ziemlich ungewohnt. Zum Glück tickt Philipp Senge ähnlich wie ich. Das bedeutet, in manchen Momenten wissen wir beide, was der/die andere davon hält. Wenn man allein vor sich hin arbeitet, kann man die Komik oder den Irrsinn der Situationen oft nur zeitversetzt teilen. Zusammen arbeiten zu wollen, war eine richtige Entscheidung. Dass die Damen von 2weierlei im anderen Flügel des Herrenhammers logieren, wir oft zusammen frühstücken oder uns um Rat fragen, macht für mich die Sache rund.

Und die Fahrerei?

Okay, das funzt noch nicht so wie es soll. Das Fahren schon. Das Laden von der Zoe auch. (Leute, in unmittelbarer Nähe platzieren die Stadtwerke eine Ladesäule. 
Das Zeitmanagement ist ausbaufähig. An Mischbrotjob-Tagen, an denen ich von einer Ecke in die andere Ecke des Erzgebirgskreises muss, schreibe ich gegen die Uhr. Das ist unentspannt und der Kreativität nicht zuträglich. Früher beginnen wäre eine Option, die mir noch Geschwurbel verursacht. (Ich sage nur Komfortzone.)
Fazit: Elektrisch über Berg und Tal kurven fetzt. Es ergeben sich Gespräche über E-Mobilität - natürlich mit all den Bedenken, Vorurteilen und den Totschlagargumenten. Und ich habe bei dem ganzen Gekurve kein schlechtes Gewissen.

Was fehlt noch?

Ein Teppich. Nicht unbedingt für die Füße, sondern für die Gemütlichkeit. Ja, der Raum kann noch ein bisschen Farbe und Schnickeldi vertragen. Wir Texter haben nicht soviel Equipment, welches Platz braucht. Ein paar Regale, Drucker, Flipchart, zwei große Schreibtische inkl. Stühle, diverse Grünpflanzen und etwas Kleinkram sind mit uns eingezogen. Mehr nicht.

Der Herrenhof Erlahammer ist nun Teil des UNESCO-Welterbes. Merkt man etwas davon?

Gebäude und Parkplätze bekommen jetzt den letzten Schliff. Die Stadt Schwarzenberg ist dabei, in einen Teil der Räumlichkeiten eine Ausstellung zu etablieren. Mit der offiziellen Eröffnung des Herrenhofes am 07.11.2019 wird diese öffentlich zugänglich. Dann ist das Ensemble fast fit für die Welterbe-Touristen.

28. Mai 2019@ralphruthe fragt, @FrauSchreiberei antwortet

@ralphruthe fragt auf Twitter: „Was denkt ihr persönlich, müsste getan werden, damit bei euch weniger Leute die AfD wählen? Ich hab von NRW aus null Einblick, wie sich das ändern lässt, eure Meinung interessiert mich sehr!“

@FrauSchreiberei antwortet.

Lieber Ralph,

ich denke, es liegt in der Natur des Menschen zu urteilen, zu kategorisieren. Das erleichtert – auch mir - das Einordnen komplexer und nicht nachvollziehbarer Dinge. Doch das ist genau die Krux. Mit dem kollektiven Ost-Bashing, was uns in Sachsen gerade um die Ohren fliegt, wird nichts erreicht. Außer, dass die Fronten sich weiter verhärten, Antipathien wachsen und die sich gestärkt fühlen, die in den letzten Tagen zweifelhaften Zuspruch erhalten haben. Meine Vorschläge sind keine schnellen, einfachen Denkansätze, sondern eine zähe Angelegenheit. Wahrscheinlich sind sie auch utopisch.

1. Macht euch selbst ein Bild. Hört zu, redet mit den Menschen vor Ort - analog und nicht über Social Media.

2. Bevölkert die Landstriche. Ob Startup, Architekt*in oder SPS-Programmierer*in – wir brauchen junge Menschen. Freie Flächen, bezahlbare Wohnungen oder Büros gibt es zur Genüge.

3. Studiert an den Hochschulen und Universitäten im Osten. Ohne gut ausgebildete Leute hat die regionale Wirtschaft schon jetzt ein massives Problem.

4. Sofern ihr Lehrer*innen seid oder werdet – unterrichtet auf dem Land.

5. Wenn ihr eure Familie auf dem Dorfe besucht – schmiert uns nicht ständig aufs Brot, wie abgehängt der ländliche Raum ist.

6. Bringt eure internationalen Freunde mit und zeigt, dass Deutschland mehr ist als Berlin, Köln oder Hamburg.

7. Investiert in Zeit. Lasst die Leute reden, warum sich solcher Frust angehäuft hat. Ein Grund könnte der vererbte Minderwertigkeitskomplex sein. Ich zitiere aus einem Brief von 2018, der an die geschätzte @ankegröner gerichtet war.

„Sie schreiben, die DDR war ein fremdes Land für Sie. Vielleicht ist es das auch geblieben. Mir war die Bundesrepublik nicht ganz so fremd – hatte ich doch Westverwandtschaft und eine Brieffreundin. Eine Zahnarzttochter, deren Eltern Schweden waren. Schon allein diese Kombi war etwas ganz Besonderes. Leute, die sich einfach so in einem anderen Land ihre Existenz aufbauen konnten, gut Geld verdienten, in der Welt umher reisten und interessehalber uns besuchten. Der erste Besuch fiel genau mit dem Unglück in Tschernobyl zusammen. Irre, wie unterschiedlich die Angst vor Verstrahlung war. Lundbergs waren informiert; wir nicht. (Wir waren recht unbekümmert. Schließlich holte mein Vater täglich Uran aus dem Berg. Ihm fielen weder die Zähne noch die Haare aus, noch hatte er Leukämie oder Lungenkrankheiten. Damals zumindest.)

Was mir von diesen Stippvisiten in Erinnerung blieb, ist der Minderwertigkeitskomplex. Wir konnten nix vorweisen – weder Haus, Auto noch Reisen. Ich habe mich manchmal geschämt. Drei Jahre später kam alles anders. Der Mauerfall ist nach wie vor eines der größten Ereignisse meines Lebens. Dass das alles friedlich und ohne Blutvergießen ablief – das halte ich persönlich für ein Wunder. Selbst nach fast dreißig Jahren zieht es mir die Gänsehaut auf.

Allerdings hat keiner mit dem Affentempo der Wiedervereinigung und ihren Folgen gerechnet. Vom Herbst 1989 bis 1991 fühlte sich das Leben wie ein Schleudergang an. Nix war mehr sicher. Unsere Generation wurde blitzartig erwachsen. Wir regelten teilweise das Leben unserer Eltern: manchen Leuten fehlte einfach der Schneid (weil Arbeit weg etc.). Woher sollten sie den so fix herhaben? Der Großteil lief in der Masse mit. Alles war vorherbestimmt: Schulabschluss, Lehre, wenn es hoch kam Studium, Heirat mit 18,19,20 wegen Wohnung und Familienkredit, Arbeitsplatz ohne großartige Pendelei.) Um die Basics hat sich der Staat gekümmert; wollte man mehr, musste man Mittel und Wege finden. Vieles ging über Dritte; Menschen, die Beziehungen hatten oder wieder Leute an entscheidender Stelle kannten.

Die Kommunikation über Dritte, die Hoffnung, dass jemand von oben das regelt – das eitert einfach nicht heraus. (Die Generation unserer Eltern versucht das immer noch.) Vielleicht kann das helfen, sich der Ostdeutschen Denke anzunähern.

Seit den ersten Pegida-Demos in Dresden (das geht schon seit 2015), frage ich mich, warum hier solche Gedanken Humus finden. Die Masse hat Arbeit. Haben beide Eltern Jobs, ist ein Urlaub im Jahr mindestens drin. Die Bildung stimmt – auch wenn uns hinten und vorn die Lehrer fehlen. Der Spagat Familie-Beruf ist – zumindest auf dem Land – machbar. Auf dem Land: da leben die, die da geblieben sind. Leute, die ziemlich gebrochene Erwerbsbiografien haben, die nicht weggehen wollten, die keinen Schneid hatten, die ihre Wurzeln nicht kappen wollten oder konnten. Die jungen, gut ausgebildeten haben die Flucht ergriffen und tun es noch. Ich weiß, das ist kein typisch ostdeutsches Problem. Die Dimension der Landflucht allerding schon. Was nahezu komplett fehlt, ist meine Generation. Dreiviertel meiner ehemaligen Klasse (Oberschule) weg, dreiviertel meiner Seminargruppe (Fachschule) arbeitet in westdeutschen Kliniken, mehr als die Hälfte meines Abiturjahrgangs weg. Diese Lücke fühlen wir tagtäglich. Umgeben von Senior*innen in beigefarbenen Westen, die auf ihre Jugend zurück blicken, den Wert von Heimat ganz anders definieren als wir und sich nicht als Teil der Gesellschaft sehen, braucht man ein breites Kreuz. Ein sehr breites.

Blitzgescheite, reflektierte Menschen haben es mitunter sehr schwer. Dinge zu hinterfragen, dass das eigene Tun Folgen hat, jeder für sich verantwortlich ist oder Demokratie auszuhalten – das zählt nicht unseren Kernkompetenzen. Die Generation unserer Eltern tut sich damit sehr schwer. Wir, die Mitte der 1970er geborenen, üben uns darin. Täglich.

Vielleicht ist das der Vorsprung, den man in den alten Bundesländern uns gegenüber hat. Nach dem zweiten Weltkrieg zogen in den drei westlichen Besatzungszonen demokratische Verhältnisse ein. Die russischen Besatzer kannten nichts anderes als Diktatur. Während man in der BRD vierzig Jahre Demokratie ausprobieren durfte, sie erlernen konnten, stolperten wir – gewollt – hinein. Ruhiggestellt von DM-Mark und Reisefreiheit hat sich keiner so richtig für die Demokratie interessiert. Abgelenkt von Massenarbeitslosigkeit kümmerte man sich um sich. Nur um sich.

Jetzt, wo wir nahezu Vollbeschäftigung haben, ist das immer noch so. Viele sind sich selbst der Nächste. Gesellschaftliches Engagement findet im Fußballverein, der Feuerwehr oder im Schulförderverein aber kaum in der Flüchtlingshilfe statt. Hauptsache, uns geht es gut und wir können den Wohlstand halten. Globales Denken oder gar Verantwortung – Fehlanzeige.

Dass etwas im großen Ganzen nicht stimmt, merken die Leute seit der Flüchtlingskrise. Auseinandersetzen will man sich damit nicht. „Das sollen die da oben regeln.“ Merken Sie, da ist er wieder der Ruf nach einer dritten Person. Wie sich aber die Ereignisse überschlugen, die Kommunen mit der Unterbringung überfordert waren, auf einmal Leute da waren, die eine geballte Ladung Testosteron mitbrachten bzw. manche deutsche Verhaltensregeln nicht kannten oder ignorierten, wuchs der Frust. „Warum soll ich im Bus bezahlen und der Ausländer nicht?“ Fünf Euro für ein Ticket sind für mich kein Thema; für manch ältere Dame mit Mindestrente schon. Das sei nur als Beispiel genannt. Aber das Aussitzen unserer Sächsischen Staatsregierung trug dazu wesentlich bei. Es entschuldigt nicht das Verhalten der Sachsen/ Sächsinnen, die wieder mitlaufen und simple Lösungen für ein komplexes Problem haben wollen.

Ich persönlich ziehe vor dem jetzigen Ministerpräsidenten Kretschmer den Hut. Er soll binnen eines reichlichen Jahres die Kohlen aus dem Feuer holen, die Tillich, Milbradt und Konsorten verursacht haben. Er ist authentisch; logisch, dass ihm Fehler passieren. Die Beharrlichkeit des Dialogs ist anerkennenswert. Es muss aber sein. Ohne diesen Draht erfahren wir nichts voneinander.

Was mich immer wieder den Kopf schütteln lässt, ist die Tatsache, dass dreißig Jahre für zur Ausbildung eines demokratischen Selbstverständnisses nicht ausreichen. Eine letzte Überlegung dazu: Mit dem Abriss von Kirchen (siehe Paulinum Leipzig; Städtebaupolitik Walther Ulbricht) fielen auch die christlichen Werte. Was den Leuten heilig ist, wissen sie oft selbst nicht. Trotzdem rennen sie den Verkündern solcher Werte nach. Klingt an den Haaren herbeigezogen; sollte aber mitbedacht werden.

Die Würde des Menschen unantastbar. Das schmier‘ ich den Leuten aufs Brot – ob sie es hören wollen oder nicht. Denn ändern lässt sich die Misere nur, wenn wir miteinander und nicht übereinander reden.

Herzliche Grüße aus dem Erzgebirge

Beatrix

31. Januar 2019#Summa Januar

Von wegen 2019 muss erst einmal in die Puschen kommen. Nix mit gemütlich und so!

Tag 3 des neuen Jahres überraschte mit der Erkenntnis, dass die Urlaubspläne 2019 nicht mit den freien Tage einhergehen. Als Freelancerin? Jaaa!!! Wenn frau auf zwei Beinen steht, kann es zu solchen Konflikten kommen. Ein Hoch auf die Kompromissbereitschaft einer freundlichen Zeitgenossin.

Holprige Wochen 2 und 3. Redaktionssitzung wegen des Wintereinbruchs abgesagt, Tickets storniert. Agenturtreffen abgesagt, Tickets gecancelt – nicht wegen des Schnees. Selbst nach zehn Jahren Text gibt es noch Anfragen, die sich wunderbar und wertschätzend anhören und dann wie eine Seifenblase zerplatzen. Doof, wenn bis dahin schon ausführlich gebrieft wurde und die Jobs eigentlich losgehen könnten. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“, sagt Paul Watzlawick. Recht hat er. Ärgerliches Kommunikationskauderwelsch, das mich immer noch etwas verschnupft sein lässt.

#Was schön war:

•Loipe, Loipe, Loipe, Loipe, Loipe, Loipe, Loipe

Rechner aus, Skier an, Laufen bis zum Flow. Jeden Winter aufs Neue staunen über die Vielfalt der Schneekristalle, das Knirschen bei zweistelligen Minusgraden. Dankbar sein für Menschen, die einfach so und ohne Entgelt den Schneebruch beräumen, damit andere Freude haben.

•Zwei Meter hohe Schneewände.

Alles wird leise, konzentriert sich (fast) auf das Nötigste. Wie früher.

•Vorfreude auf Atlanta im April 2019

Details angucken, herumrecherchieren, manches abwählen, Preise vergleichen, abwägen und mit der Reisebegleiterin einer Meinung sein.

UWC-Gastfamilie sein und bleiben

•„Hochdeutschland“ von Alexander Schimmelbusch gelesen

Ein Buch, das mich erst angetriggert und dann ratlos zurückgelassen hat. Wenigstens sehen das einige Rezensenten ähnlich. Am treffendsten ist die Kritik vom rbb.

•mit Mailchimp herum gebastelt

#Schaufenster

Magazin Herzland 2019

Herzland 2019

11. Januar 2019Vom Schreiben und Pausieren

2018. Funkstille auf dem Blog. Das Leben war und ist dicht genug. Manchmal war und ist es ein Spagat zwischen Schreiberei, Zweitengagement, Mini-Studium, Netzwerken und Herzensprojekt. Die Muße? Sie ist mir wohl verloren gegangen. Es fehlt mir schon, dieses Einfach-so-für-mich-schreiben.

Quelle: https://schreiberei.eu/2019

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